Top 12, zweiter Tag
Auch am zweiten Tag war die Halle schon früh gut gefüllt
und überall herrschte eine erwartungsvolle Stimmung. Kein
Wunder, denn die fantastischen Spiele des Vortages waren
noch in aller Munde. Erfreulicherweise waren auch recht
viele Nachwuchsspieler in der Halle und wie kann besser
motiviert werden, als durch solche Veranstaltungen und
Spiele?
Da es dem STTB, allen voran Hermann Leinenbach, aber auch
Ella Lauer wird im Orgabüro kräftig gearbeitet haben,
gelungen ist, nicht nur die Veranstaltung hervorragend zu
organisieren, sondern in der Öffentlichkeitsarbeit die
vorhandenen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, wird dieses
Top 12 hoffentlich unserem Sport über die Tage der
Veranstaltung helfen, neue Mitglieder zu gewinnen
bzw. "alte Hasen" neu zu motivieren.
Mit Roman Bonnaire und Erich Philippi haben wir zwei
erfahrene Tischtennisexperten an wichtigen Schaltzentralen,
die ihren Einfluß zum Wohle unseres Sports geltend machen
konnten. Ihnen allen und den vielen anderen Helfern an
dieser Stelle einmal ein dickes Dankeschön.
Auf der Seite von Timo Boll könnt ihr
nachlesen, wie er sich in den Tagen gefühlt hat.
Saarbrücken sei sein bisher "verrücktestes Turnier" gewesen
und es dürfte schwer zu toppen sein!
Mit den Damen ging es also los. Galina Melnik hatte
am Vortag einen so hervorragenden Eindruck hinterlassen,
dass sich Tamara Boros nicht allzu sicher sein
konnte. In den ersten beiden Sätzen kam die Russin auch
immer wieder durch und attakierte Boros Angriffschläge sehr
gekonnt. Selbst die härtesten Bälle der Kroatin wurden von
Melnik offensiv beantwortet und Mitte des dritten Satzes
wirkte Boros sichtlich entnervt und ratlos.
Doch zwei wirklich gute Bälle ihrerseits und ein leichter
Fehler von Melnik gab den Auschlag zum Gewinn des Dritten
Satzes und von da ab wendete sich das Blatt. Boros blieb
aktiv, spielte aber jetzt mit Tempo und Spin und da zeigte
die kleine Russin sich als verwundbar. Mit 4:2 gewann die
Kroatin und man konnte ihr die Erleichterung sichtlich
anmerken.
Kirsztina Toth hatte bei den Europameisterschaften
in Bremen Jie Schöpps Siegesserie beendet und den
Ungarn dadurch zum Gewinn des Mannschaftstitels verholften.
Dieses Spiel versprach also spannend zu werden.
Schon zu Beginn war zu bemerken, dass die Abwehrspielerin
besser als gestern spielte, denn nicht nur ihre Abwehr
stimmte, sondern sie konnte immer wieder mit Angriffsbällen
punkten. Selbst die Ballonabwehr in die sich die Ungarin
des öfteren fallen ließ, störte sie nicht wirklich und sie
konnte auch dort häufig punkten.
Den ersten Satz gewann sie unter dem lauten Jubel der
Zuschauer. Im zweiten und dritten Satz kam Toth mit ihrem
variablen Spiel gut durch und die Angriff der Deutschen
waren nicht immer vom Erfolg gekrönt.
Doch angefeuert
von den Zuschauern spielte "Schie-tje" ihr bestes
Tischtennis, zeigte sich unbeeindruckt vom Satzrückstand
und brachte ein- ums andere Mal tolle Bälle zurück,
punktete selbst und man konnte merken, wie locker und doch
zielbewußt sie spielte.
Wenn sich die Chance bot, griff sie an, hatte aber auch die
Geduld auf die Fehler ihrer Gegnerin zu warten, eine reife
taktische Leistung und eine gute Einstellung waren der
Schlüssel zum 4:2-Erfolg.
Michael Maze , der für Düsseldorf spielende Däne
hat sich in der Weltrangliste schon auf Platz 24
vorgearbeitet. Ob es aber gegen den dreifachen Top 12
Sieger Vladimir Samsonov schon reichen könnte, war
die große, vieldiskutierte Frage.
Alle vier Sätze waren umkämpft, aber wieder einmal und zum
vierten Mal in Folge bei diesem Turnier wurde der Weißrusse
seinem Ruf als "Mozart" des Tischtennis gerecht. Er
dirigierte das Spiel und es schien, als spiele Maze sehr
gekonnt zwar, aber eben genau dorthin, wohin Samsonov den
Ball gerne hätte. Was für eine Antizipation und
Spielübersicht.
Groß war der Unterschied nicht, aber er war vorhanden und
somit wartete alles mit Spannung auf das Duell von
Werner Schlager gegen Timo Boll . Beide kennen
sich natürlich gut und es gab schon viele gute Spiele
zwischen ihnen. Die letzte Auseinandersetzung hatte der
Östereicher gewonnen, Timo war aber die aktuelle Nr. 1; es
versprach ein höchst packendes, sehr offenes Spiel zu
werden.
Was Werner Schlager fast drei Sätze lang bot, war, meiner
Meinung nach, das beste Tischtennis des Turniers. Ein ums
andere Mal brachten seine unglaublich hart geschlagenen
Angriffsbälle Timo zum Verzeifeln. Er kam in den meisten
Ballwechseln gar nicht dazu seinen Angriff aufzubauen, da
Werner schon den ersten Ball hart und sehr sicher
attakierte.
Erst gegen Ende des dritten Satzes kam Timo besser ins
Spiel, aber als der Österreicher diesen Satz noch nach
Hause rettete, war allen klar, dass diese Nuß womöglich
noch härter zu knacken sein würde, als das Wahnsinnsspiel
des Vortages.
Eine überaus fantastische Eigenschaft von
Weltklassespielern ist es ja, in Bedrängnis ihr bestes
Tischtennis zu spielen und Timo besitzt diese Gabe
offensichtlich in hohem Maße. Die Halle tobte, feuerte
ihren Matadoren unglaublich an, ich selbst habe bei fast
jedem Ballwechsel geklascht, wobei es aber auch von
Schlagers Seite einiges zu bestaunen und zu applaudieren
gab und es herschte eine tolle Atmosphäre.
Im sechsten Satz führte Timo mit 9:4 und war in einem
wahren Spielrausch. Werner Schlager besprach sich kurz mit
dem Schiedsrichter, der den Kopf schüttelte. Anschließend
machte Timo einen direkten Punkt mit seinem Aufschlag, was
Werner Schlager machte habe ich nicht genau mitverfolgt,
muß mich hier also auf die Aussagen anderer verlassen, dass
er seinen Schläger mit Absicht gegen die Tischkante schlug,
den RH-Belag zerfertzte, um ihn tauschen zu können. Wieder
eine Diskussion mit dem Schiedsrichter, Schlager machte
eine verächtliche Handbewegung, legte den Schläger bei
Seite und holte aus seiner Tasche einen fertigen, neuen
Schläger hervor. Er bekam vom französischen Schiedsrichter
die gelbe Karte, weigerte sich mit seinem bisherigen
Schläger weiter zu spielen und was dann folgte ist
hinlänglich bekannt. Eine wahre Traube von Schieris und
aufgeregt mit ihnen diskutierenden östereichischen
Offiziellen bildete sich. Da er sich immer noch weigerte,
das Spiel fortzusetzen, erhielt er die rote Karte und Timo
bekam dadurch den noch fehlenden Punkt zum Satzausgleich
zugesprochen.
Minutenlanges Pfeifkonzert der Zauschauer, das sich noch
steigerte als Werner Schlager unter Scheibenwischerbewegung
Richtung Schiedsrichter sich weigerte mit dem alten
Schläger weiter zu spielen, daraufhin disqualifiziert wurde
und die Halle verließ.
Ein unschönes Ende für ein Spiel, das bis dato so
verheißungsvoll verlaufen war.
Ähnlich wie das Halbfinale verlief für Jie Schöpp
das Finale gegen Titelverteidigerin Tamara Boros .
Nach gewonnenen ersten Satz lag sie 1:2 hinten und gewann
schließlich in sechs Sätzen, weil sie selbst härteste Bälle
ihrer Gegnerin schluckte und mit dem eigenen Angriff, immer
wieder auch mit den Noppen erfolgreich war.
Bemerkenswerterweise hauptsächlich mit Schüssen, was meine
Ansicht über erfolgreiches Abwehrspiel nur bestätigte
Es war erstaunlich, wieviele Zuschauer in meiner Nähe am
ersten Tag überrascht waren, dass auf vier Gewinnsätze
gespielt wurde. Damit wird aber auch deutlich, dass eben
nicht nur die Experten, die ein solches Turnier ohnehin
besucht hätten, sondern auch viele andere zum Besuch dieses
Topevents animiert wurden, was für die
Öffentlichkeitsarbeit spricht!
In allen Sätzen wurde sie lautstark vom Publikum
unterstützt und der laute Jubel mit dem ihr zweiter Top-12-
Titel nach 1994 gefeiert wurde, ließ erahnen, was jetzt
folgen würde.
Timo Boll gegen Vladimir Samsonov war die
Neuauflage des Endspiels des letzten Turniers von
Rotterdam.
So unglaublich aufopfernd hatte Timo bisher gespielt, so
souvarän war Samsonov bisher durch das Turnier gegangen,
dass alles auf ein unglaublich spannendes und hochklassiges
Finale hindeutete. Das wurde es dann auch. 0:2 lag Timo
hinten, er spielte wirklich gut, aber gegen Satzende
punktete der Weißrusse einfach besser. Galgenhumor machte
sich breit. Wird wohl wieder ein 0:3, kennen wir ja schon!
Doch diesmal konnte Timo den dritten Satz, wenn auch mit
Hilfe einiger Netz- bzw. Kantenbälle für sich entscheiden
und ging sogar mit 3:2 in Führung, hatte sogar Machtball im
sechsten, den Samsonov aber abwehren und seinerseits
ausgleichen konnte. Das Finale in Rotterdam war gerade
anders herum gelaufen und es schien so, als wäre Timo
diesmal nicht unbedingt der mental Stärkere.
Bekanntlich kommt es erstens anders...
Im siebten Satz beeindruckte Timo wiederum durch tolle
Ballwechsel, hielt dem Druck stand und wurde zum zweiten
Mal Top 12 Sieger!. Das ganze Spiel über wurde wie
wahnsinnig geklatscht, auch Samsonov hatte
berechtigterweise viele Sympathiesanten und wurde toll
unterstützt. Das steigerte sich nach dem Matchball zu einem
wahren Orkan. Minutenlang übertönte der Beifall jedes
andere Geräusch in der Halle und kaum einen hielt es auf
seinem Stuhl!
Die Top 12 in Saarbrücken sind eine wahre Werbung für
Tischtennis mit all seiner Faszination, die unseren Sport
so kennzeichnet, gewesen und es ist zu wünschen, dass dies
eine Wiederholung findet!
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